Weiße Taube

Lauscht, wie weiße Taub' auf meiner Schulter singt,
Wie weise Hüterin, vom Himmel mir gesandt;
Und wie ein Schild, der mir den Schatten bringt,
Sind ihre Flügel - das gefiederte Gewand.

Seht, wie vor der Sonne schützend' Hand
Der edle Vogel über meinem Haupt ausbreitet!
Erglüht - dem Phönix gleich, verbannt
Die kalte Finsternis, die drohend uns ummantelt.

Und auch die Blindheit, die mich umringet stets,
Und all das Schöne Stück für Stück verschlang,
Durch weiße Pracht des Wesens wird zersetzt,
Zerspringt im Klang des himmlischen Gesangs.

Ich klammere mich an der lieblichen Stimme,
An jeder Betonung, die im Ausklang verstummt,
Und wie ein Bühnenstück erneut erglimmet
Das Geträume - das Gesetz, gemeißelt im Gemüt.

    "Wage es nicht zu ermessen,
     Was Dir mein Herzschlag verspricht!
     Versuche mich nicht zu vergessen,
     Und ich verlasse Dich nicht..."

Die Taube - so weiß, in meinen Händen ruht,
Wie in dem Griff des Todes meine Kerze scheint,
Und rüstet sich zum Fluge, wenn sie der Himmel ruft,
Beflügelt von der Kraft, die in dem Vogel keimt.

Und mit jedem Schlag des starken Flügelpaars
Entfern' ich, fallend, mich der Sonne wieder;
Verblasst die rote Flammenblüte ihres Haars;
Umkrallt mich schwarzer Vogel - dunkler Krieger.

Und auch die Blindheit, die mich das Weiße sehen ließ,
Und erneut die Schönheit Stück für Stück ersetzt,
Mit trübem Federnkleid umschattet mein Verließ.
Hört, wie das Gekreische mein Gehör verletzt!

Die schwarze Krähe auf meiner Schulter heiser krächzt,
Wiegt mich in den Schlaf mit ihrem Grabgeläut.
Doch seht ihr dort - am Firmament?! Ein Stern, der ewig glänzt!
Das Wesen ist es - ganz in weiß. Es eilt zu mir erneut...

Geschrieben von Anderson R [Profil] am 29.07.2014 Aus der Kategorie Sonstige Gedichte