>
>
Gedicht drucken


Das letzte Blatt des Winters

Welch eisig kalter Blick
Lebt kommendem November inne.
Vasall des frühen Winters
Entreißt dem Wald sein Herz.
Die alten, kargen Bäume,
Die seines Namens sich entsinnen,
Erstarren in Bewegung stumm,
Gegossen aus Erz.

Der Neunte von den Zwölfen -
Der fahle Todesritter,
Nach allem Leben trachtend,
Die graue Sonne leben lässt.
Und nur ein letztes Blatt,
Das einsam an dem Zweige zittert,
Versteckt sich vor dem finst'ren Starr
Im trockenem Geäst.

Ein Flüstern bricht das Schweigen:
"Lass los!
Im freien Fall wirst du nicht leiden.   
Auch du kannst deinen Flug erleben.
Sieh dort -
Wie erste Schneeflocken schweben..."

Des Himmels weißer Flaum
In dürren Zweigen sich verfängt,
Manch eine Flocke weinend fließt,
Die and're doch verweilt.
Das Flügelwesen sanft
Die letzte Wärme doch verdrängt,
Das tote Laub fest verschließt -
Der Erde buntes Kleid

Das angsterfüllte letzte Blatt,
Das sich der Kälte nicht entzieht,
Im ungestümen rauen Wind
Sich wehrt aus letzter Kraft,
Die Last des Zehnten Mondes trägt
Und aus den trüben Augen sieht
Ein neugebor'nes greises Kind -
Dezembers weiße Pracht

Die Augenbläue längst vereist
Wie seines Seelenspiegels Glas.
Ein Sprung - er ziert den elften Tanz,   
Um eig'nen Niedergang zu stärken.
Durch leise Worte sprießt sein Geist
Und wird durch Kälte, durch das Nass       
Und hinter'm schönen Silbenkranz
Den wahren Sinn verbergen

So bist auch du, o Mensch, wie dieses alte Blatt -
Gefesselt an der Gabe der Imagination,
Liest dich an den trüben Worten satt,
Geblendet durch den Schein der Interpretation













Avatar Anderson R

Geschrieben von Anderson R [Profil] am 10.11.2015

Aus der Kategorie Sonstige Gedichte



Logo Creative Commons
Dieses Werk ist durch die Creative Commons Lizens geschützt. Bitte bachte die Rechte

Dieses Gedicht oder ein Kommentar enthält anstößige Wörter oder Beleidigungen?

Tags (Schlagwörter):

Winter, Herbst, November, Interpretation

Bewertungen

5 Punkte
Punkte: 15 bei 3 Bewertungen. Das Entspricht im Durchschnitt 5.00 Punkte
(Punkte können mit einem neuen Kommentar vergeben werden.)

Anzahl Aufrufe: 2308


Dieses Gedicht teilen


Kommentare und Punkte zu diesem Gedicht

 arnidererste 10.11.2015, 15:58:26  
Avatar arniderersteEs spiegelt sich in Wort und Vers, der Eine, der matte Glanz des sterbendes Jahres. Wundervoll verfasst.glg arni

 possum 10.11.2015, 21:04:24  
Avatar possumDanke dafür lieber Anderson, ein tolles Werk! LG!

 monti 11.11.2015, 03:42:33  
Avatar kein BildAuch mich hat die Begeisterung über dein Gedicht gepackt! LG Monti

Kommentar schreiben und Punkte vergeben

Bitte melde dich ganz oben auf der Seite an um einen Kommentar zu schreiben und Bewertungen zu vergeben

Andere Gedichte von Anderson R

Der Sand
Zwielicht
Zwei Nocturnes einer Nacht
Die Mär vom schwarzen Blut
Ein Ode an Idun
Acheiropoieton
Weiße Taube
Einai ...um zu sein (Summarium)
Die Wiederkehr
...Und ich sehe (Sonett Nr. VIII)

Die beliebtesten Gedichte:

Unausweichlich Tod
Kraniche
Im Regen
Verwirrte Worte
Wer Sehnsucht kennt...
Fluch(t) der Träume
Panthers letztes Schriftstück
Still und bescheiden
Der Mittag
Am Abend danach

Die neusten Gedichte:

Mich zwickts
Quälende Pein
Vertrau Mir 2
Die Harmonie
Warum bin ich hier?
Hobby Poeten
Die eine Nacht
GEFÜLE
Possums Antwort
DU IN MEINEN HERZEN

Oft gelesene Gedichte:

Ich liebe Dich mein Schatz
Danke an unsern Lehrer!!
An meine liebe Frau
Was ich meinen Kindern immer mal sagen wollte...
Für meine Schwester
Für meinen Schatz
Ich Denke an Dich...
Hab Dich Lieb Mama
Für mein Schatz
Meine Oma