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Von Raben und anderen schwarzen Gestalten - Kapitel 3: Das Leben nach dem Tod

Und der Rabe weichet nimmer – sitzt noch immer, sitzt noch immer

Auf der blassen Pallasbüste ob der Thüre hoch und hehr;

Sitzt mit geisterhaftem Munkeln, seine Feueraugen funkeln

Gar dämonisch aus dem dunkeln, düstern Schatten um ihn her;
Und mein Geist wird aus dem Schatten, den er breitet um mich her,
Sich erheben – nimmermehr!

- aus Edgar Allan Poes „The Raven“ (Übersetzung nach Eben)

 


Erik schlug die Augen auf und musste sie sofort wieder schließen.

Fuck! Warum ist es denn so hell? Ist schon Tag?

Die Raben saßen um ihn herum und wachten über ihn. Erik stand auf und fühlte sich…komisch. Da die Straßenlaternen noch an waren ging er davon aus, dass es noch Nacht war.

Seit wann kann ich im Dunkeln so gut sehen?

Und dann kam die Erinnerung zurück.

Erik befühlte seine Zähne und merkte, dass seine Eckzähne spitz zuliefen. Das nächste, was Erik fühlte war ein unvorstellbarer Durst nach Blut. Seine Fantasie zeigte ihm Bilder, in denen er in einem Schlachthaus stand. Um ihn herum lagen hunderte toter Menschen und überall war der rote Lebenssaft verteilt. Es machte Erik fast wahnsinnig.

 

„Junger Mann, ist alles in Ordnung mit ihnen?“, hörte er eine ältere Frau sich nach seinem Wohlergehen erkundigen. Er reagierte mit einer nie gekannten Schnelligkeit und war im Bruchteil einer Sekunde bei der alten Frau. Seine Eckzähne wurden länger und er rammte sie ihr in den Hals. Warmes Blut ergoss sich in seinen Mund. Er schluckte begierig und spürte, wie der Durst ein wenig nachließ.

Der Vampir wollte mir den Kopf abhacken, damit ich mich nicht verwandle…

Erik schaute sich um und sah, dass der Vampir seinen Langdolch verloren hatte.

Er hob ihn auf, ging zur Leiche der Frau und zögerte.

Es bleibt mir nichts anderes übrig!

Er schloss die Augen und atmete tief durch. Dann setzte er die Klinge an und schnitt der Frau den Kopf ab.

Was mach ich jetzt mit der Leiche?

Einer der Raben flog zu ihr und fing an, kleine Stückchen aus ihr herauszureißen. Die anderen folgten ihm nach einigem Zögern.

„Leute, ihr seid echt abartig!“

 

Erik stieg auf sein Motorrad.

Zeit, nach Hause zu fahren.

„Komm, Nimmer! Begleite wenigstens du mich.“

 

Wieder zu Hause angekommen schlich Erik in sein Zimmer und legte sich ins Bett.

Am besten, ich melde mich morgen krank. Wer weiß, was die Sonne mir antut.

 

Wo ist der Kleine?! Wenn ich ihn nicht finde, jagt mich Kain zur Hölle!

„Hey, Varik. Scheinst ja ziemlich unruhig zu sein…“

„Sarah, verpiss dich! Ich hab einem Menschen das Blut ausgesaugt und kam nicht dazu, ihn zu köpfen. Er hatte Raben bei sich, die ihn beschützt haben. Ich musste mich zurückziehen. Und als ich wieder kam um die Arbeit zu Ende zu bringen, war sein Leichnam weg. Ebenso wie mein schöner Langdolch“, lamentierte der Vampir wehleidig.

„Dann such den Kleinen mal. Du weißt ja, was denen passiert, die ihre Schützlinge nicht finden…“

„Ja, das weiß ich! Und jetzt zieh Leine und lass mich weitersuchen!“, erwiderte Varik sichtlich gereizt.


Erik lag derweil schlaflos in seinem Bett. Er wälzte sich hin und her und konnte einfach nicht einschlafen. Immer wieder spielten sich die vergangenen Stunden in seinem Kopf an. Und immer wieder tat ihm die alte Frau ein wenig Leid.

Die arme alte Frau. Aber ich konnte einfach nicht anders. Dieses Verlangen nach Blut….Es war viel zu stark.

Er schaute aus dem Fenster und stellte fest, dass die Sonne schon bald aufgehen würde. Er ging zum Fenster und ließ den Rollladen herunter. Er wollte vermeiden von den Sonnenstrahlen getroffen zu werden.

Ich werd mich für heute wohl krankmelden müssen.

 

Ah, da ist der kleine Bastard ja!

Varik hatte Eriks zu Hause endlich gefunden. Einige Minuten zuvor war Eriks Mutter auf die Arbeit gefahren. Eriks Geruch haftete überall: an der Türklinke, am Treppengeländer, selbst den Geruch seiner Schuhe konnte Varik ausmachen.

Ich bin richtig froh, zu dieser Art Vampir geworden zu sein: ein „Sonnenwandler“.

Varik kannte die offiziellen Namen der einzelnen Vampirarten nicht. Er war sich nicht mal sicher, ob es überhaupt offizielle Namen gab. Er hatte sich selbst Namen ausgedacht. Varik gehörte zur Rasse der „Sonnenwandler“, wie er sie nannte.

Der einzigen Rasse, der es möglich war, auch am Tage umherzuwandern ohne verletzt zu werden. Darüber hinaus besaß diese Rasse unglaubliche scharfe Sinne, eine unfassbar schnelle Reaktion, war extrem schnell und sehr stark. Allerdings war sie die einzige Rasse…

Verdammtes Kruzifix!

…die sich vor christlichen Symbolen in Acht nehmen musste.

 

Varik fauchte das Kreuz an. Er ging im größtmöglichen Abstand und ganz langsam daran vorbei, als könnte es sich jeden Moment auf ihn stürzen und ihn zerfetzen.

Er erreichte Eriks Zimmer und öffnete vorsichtig die Tür.

 

Erik lag in seinem Bett und schlief.

Gut, dann erschreckt er sich wenigstens nicht zu Tode.

Varik musste ob dieses Wortspiels grinsen.

Und da soll mal einer sagen, wir Vampire hätten keinen Sinn für Humor.

 

„Hey, Kleiner! Wach auf!“, rief Varik. „Du musst dich noch krankschreiben! Heute wirst du eine ganz spezielle Form des Unterrichts genießen!“

 

Erik schlug die Augen auf und starrte den Vampir entsetzt an.

„Du-du…!“

„…bist der Vampir, der dich zu einem Geschöpf der Nacht gemacht hat. Richtig. Varik ist mein Name. Schön, dich kennen zu lernen…wie war noch gleich dein Name?“

„I-ich heiße Erik.“

„Gut, Erik. Pass auf, ich bin kein Politiker, ergo bin ich jemand, der gern zur Sache kommt. Ich konnte dich nicht köpfen, du bist zum Vampir geworden und ein Gesetz schreibt uns Vampiren vor, dass wir uns junger Vampire annehmen müssen. Der Vampir, der einen Menschen verwandelt hat, hat sich seines Opfers anzunehmen und den Jungvampir zu unterrichten. Komm mit. Den Rest erklär ich dir später.“

„Aber die Sonne…“, protestierte Erik.

„Für den Anfang muss es dir genügen, wenn ich dir sage, dass unserer Rasse die Sonne nichts ausmacht. Komm einfach mit. Wie gesagt, den ganzen andern Kram erzähl ich dir später.“


Avatar Rabenfeder

Geschrieben von Rabenfeder [Profil] am 19.01.2011

Aus der Kategorie Sonstige Lyric



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Kommentare und Punkte zu diesem Gedicht

 HB Panther 19.01.2011, 18:07:28  
Avatar HB PantherSo jetzt bin ich durch-- ich freue mich auf die nächsten kapitel. Wo ist die Kasse denn?? Muß ich nichts bezahlen :-)?

 darkmoon 09.07.2011, 12:06:29  
Avatar darkmoonecht gut die Geschichte, wann gehts weiter???

 Leopardin 09.07.2011, 14:37:17  
Avatar LeopardinIch will wissen wies weiter geht Rabenfeder. *_* Richtig gute storyy

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