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Ankunft - Erste Nacht

Ankunft – Erste Nacht


Ein schweres Dröhnen und Schlittern von Eisen auf Eisen und ein dumpfes Rütteln drang, verstärkt vom Echo der gegenüberliegenden Fassade herauf zum 1. Stock über das gekippte Fenster herein in seine frisch bezogene neue Mietwohnung. Nachts, so hatte er festgestellt, war die schmale Einbahnstraße wenig belebt und die Ruhe nur vom Rhythmus der passierenden Straßenbahnen unterbrochen, die bis kurz vor Mitternacht ihre Strecken befuhren. Schwierig war ihm nun das erneute sich erheben, nach den Strapazen des Umzugs, denn seine Glieder waren steif und müde geworden, als er sich zum Fenster begab, es zu schließen. Er riskierte einen Blick in den Himmel und stellte fest, dass die Nacht längst hereingebrochen war. Nicht einen Stern konnte er von hier, seiner neuen Perspektive aus, entdecken. Lediglich ein einsamer halber Mond durchbrach die weite wolkenlose Finsternis. Es würde eine kalte Nacht werden. Gegenüber im Gebäude lagen die meisten Fenster im verhangen Licht und für diese Menschen, vielleicht sogar für fast alle diese Menschen, würde es eine Nacht, wie eine jede andere sein. Sie würden ihren spätabendlichen Gewohnheiten folgen, sich pflegend, lesend oder streamend auf dem Sofa liegend, zockend im Gespräch mit Freunden, sich auch an sich kuschelnd, die Kinder ins Bett bringend und schlussendlich schlafend im Bett liegend und auf den neuen Tag wartend. Sicher hatte er immer auch seine eigenen Rituale und Gewohnheiten gehabt, aber dieses Mal war alles anders. Der Ort war ein andrer und er fühlte, dass dieser Ort aus ihm auch einen anderen machen würde. Er schloss seine Augen, bedachte dies alles für einen unendlich kurzen Moment, und fand vor seinem inneren Auge die Gesichter seiner Freunde und die seiner zurückgelassenen Familie sich auftun. Sich leicht spannend sog er tief ein, die Augen öffnend, ja, er war angekommen. Sich vom Fassadenschauspiel abwendend, machte er seine noch prall gefüllten Taschen aus und suchte nach seinem Toiletttäschchen. Ungeschickt kam er sich vor, denn ungewohnt waren ihm alle Bewegungsabläufe, die er sonst so gerne verspielt tänzelnd unternahm, um von einem Raum in den nächsten zu gelangen. Groß, hoch aufgerichtet stand er dann bald in seinem erwählten neuem Badezimmer. Gegenüber mündeten die schmalen, beengenden Wände links und rechts in eine Art Duschkabine, die von drei Seiten von den Wänden des Badezimmer begrenzt wurden. Links davor war ein schmales und seichtes Becken, zu dem er sich immer würde etwas Bücken müssen. Darüber ein kleiner Spiegel mit einer noch leeren Ablage. Natürlich war er anderes gewohnt, doch diese Zeiten, das hatte er längst schon schmerzlich verinnlichen müssen, waren nun wahrlich vorbei gewesen. Er putzte sich die Zähne, wusch sich, begab sich zurück ins Wohnzimmer, vorüber an den Taschen, Koffern und Kartons, in die Bettecke, in der er sein Bett bespannte, sich entkleidete, das Licht abdrehte und sich langsam ins Bett gleiten ließ. Die Szene des Abschied eröffnete sich ihm als der erste, von vielen folgenden Gedanke. Ihn beschäftige der Verlust seiner Arbeitsstelle, streifte durch die ehemals vertrauen Räumlichkeiten, fand sich in Gesprächen wieder, zu denen er durchaus noch vieles zu sagen gewusst hätte, selbstverständlich besonders im Nachhinein, immer im Nachhinein, wobei ihm ein Lächeln über die Lippen huschte, als er diesem Strom ein Ende setzte und weiterwanderte. Die Vergangenheit sollte ruhen, denn er konnt es ich nicht leisten, seine Aufmerksamkeit für die bevorstehenden Aufgaben abgleiten zu lassen, sie zu teilen, mit den unveränderlichen Belangen, die ihm doch eine gute Lehre und Entwicklungsanstoß gewesen waren. Morgen würde er die Gegend erkunden, nachdem, so nahm er sich vor, er zumindest eine weitere Bewerbung würde ausformuliert und abgeschickt haben. Doch am intensivsten und längsten, bis hin zum schwebenden Zustand des Halbschlafes, nicht mehr ganz im Hier und Da und wach, aber auch noch nicht in tiefen Träumen versunken, verweilte sein Sinn bei ihr, denn er war es gewesen, nicht sie, der alles aufgegeben hatte, ihr näher zu sein, um, und dies war seine größte Sorge und Hoffnung zugleich, doch eines Tages zu ihr zu ziehen, mit ihr zu wohnen und zu leben.


 


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Geschrieben von franzis [Profil] am 26.11.2020

Aus der Kategorie Sonstige Lyric



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Tags (Schlagwörter):

Ankunft, ortswechsel, Liebe, Hoffnung, Sorge, umzug, abenteuer

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