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Pacificare - Episode 6: Regeln und Gesetze

"Ein Sturm wird kommen und uns alle unter sich begraben..."

"Pacificare" - Staffel 1 - Episode 6: Regeln und Gesetze

Sowohl in Xenos als auch Tinnos gab es kein anderes Thema mehr als den herannahenden Schneesturm. Für manche war er ein Omen, für etwas noch Schlimmeres, das auf die beiden Geschwisterstädte zukam. Andere sagten das Ende der Städte bereits für eine baldige Zukunft voraus. Wer aus Kaffeesatz las oder die Zukunft in Steinen sehen konnte, für den gab es mächtig viel zu verdienen.  In den Tavernen war es so eng, dass es kaum noch einen Stehplatz gab, geschweige denn eine Möglichkeit, sich zu setzen. Viele der Bauern wollten die Stadt verlassen, fürchteten jedoch, dass sie der Tod auf leisen, weißen Sohlen begleitete. Wohin sollten sie gehen? Wer würde ihnen Obhut schenken? Doch so einfach war es für unfreie Bauern, wie es auch Gabriella und Serafina waren nicht, die Stadt zu verlassen. Sie waren sogenannte "Sklaven" der Ober - und Untervasallen. Während die Untervasallen Befehle auf dem Feld gaben und in direktem Kontakt mit den Bauern standen, arbeiteten die Obervasallen jeder Stadt enger mit dem jeweiligen König zusammen. Ein Bauer konnte im Prinzip niemals frei werden. Er hatte zutun, was der Untervasall des jeweiligen Bezirks zu ihm sagte. Tat er dies nicht, drohten Konsequenzen wie Peitschenhiebe und Essensentzug. Schlimmeres überlebten die meisten Bauern oft nicht. Auch Serafina war ein unfreier Bauer, aber sie hielt es mit den Gesetzen und Regeln der Stadt eher locker, da sie ein besonderes, wenn auch zwiespältiges Ansehen hatte. Aufgrund ihrer enormen Kraft und dem Aussehen eines Mannes, wollte man sie als Arbeitskraft nicht verlieren. Sie schaffte, was andere nur zu zweit leisten konnten. Eine solche Arbeitskraft bekam man nicht alle Tage. Für ihre Freundin Gabriella würde sie alles tun - dazu gehörte auch, sich über die Regeln hinweg zu setzen. 

Durch den erheblichen Schneefall wurden die Arbeiten auf dem Feld vorerst eingestellt. Serafinas Wunde durch einen Pfeil war mittlerweile verheilt und auch Gabriella kam wieder zu sich. Viel miteinander geredet hatten die beiden seit dem letzten Zusammentreffen nicht. Serafina hatte es ermöglicht, dass Gabriella zur wöchentlichen Betstunde gehen konnte, von der sie aber nicht rechtzeitig zurück kam. Weil dadurch die Arbeit nicht vollständig erledigt werden konnte, hatten sie erhebliche Konsequenzen über sich ergehen lassen müssen. Als ihr Untervasall Kalamar am Mittag zurück gekommen war, bemerkte er sofort, wie wenig Arbeit geleistet worden war. Gabriella bekam dafür Peitschenhiebe und Serafina noch mehr Arbeit. Der Schneesturm kam also wie gerufen. Durch dieses Ereignis konnten ihre Wunden heilen und Serafina hatte Zeit, einen Plan zu schmieden, um sich ungesehen in die Nachbarstadt Tinnos zu schleichen. Dort waren zwei junge Frauen erhängt worden. Wer die Beiden waren, konnten sie bisher nicht erfahren, aber sie befürchteten das Schlimmste. Wenn es ihre Töchter waren, die von den Obervasallen in Tinnos verraten oder vom König gar entdeckt worden waren, dann hatte Serafinas Leben keinen Sinn mehr. Obervasalle dürfen mit Bauern keine Beziehung haben. Kommt dies heraus, verlieren diese ihren Rang und steigen zum Untervasallen ab, während die Bauern gehängt werden. Geht ein Untervasall eine Beziehung mit einem Bauern ein und dies kommt heraus, dann wird er selbst zum Bauern und muss seine Geliebte selbst erhängen. Es gab eine ganz klare Rangordnung in den Städten, auch wenn sie nicht gerecht oder in irgendeiner Form brauchbar war. 

Der jeweilige König jeder Stadt hatte sich an diesem Abend mit seinen stets drei Unter - und Obervasallen getroffen, um darüber zu sprechen, wie sie dem kommenden Schneesturm trotzen konnten. Wie konnte man die nicht gemachte Arbeit aufholen? Sollte man die Bauern trotz Schnee auf die Felder schicken? Woher das bald fehlende Brennholz nehmen, um sich vor der Kälte zu schützen? Die schweren Schneemassen drohten Häuser aus Holz zum Einstürzen zu bringen. Bei Bauern war dies unwichtig, jedoch nicht bei den Häusern der Vasallen. Obervasalle hatten damit keinerlei Probleme, da sie mit dem König im Schloss wohnten. Dort gab es genug Feuerholz und alles, was man brauchte, um gut durch den Winter zu kommen. Dieser hatte jedoch erst begonnen und vieles könnte in den kommenden Wochen knapp werden. Wovon es jedoch reichlich gab, waren Ideen, im Kopf von Serafina. Sie wollte wissen, welche Frauen in Tinnos erhängt worden waren. Es gab im Westen der Stadt Xenos einen geheimen Unterschlupf, durch den sie aus der Stadt entkommen konnte. Dies war jedoch immer nur abends und in der Nacht möglich. Morgens musste sie zurück sein, sonst würde man ihr Fehlen bei der Arbeit entdecken. An freien Tagen, von denen es nur einen in der Woche gab, konnte man ebenfalls nicht abwesend bleiben, da dann Abgaben von den Bauern zu leisten waren. Es war der einzige Tag in der Woche, an dem die Könige sich unter die Bauern mischten. Zusammen mit einem mehr oder minder erfahrenen "Arzt", schauten sie nach dem Gesundheitszustand der Bauern. Die Abgaben wurden auf dem Marktplatz gesammelt, dort konnte man sich dann auch von einem "Arzt" begutachten lassen. Der König und der "Arzt" arbeiteten Seite an Seite, wobei sich allerdings nur der Arzt mit den Bauern unterhielt. Die Bauern traten an den König heran, legten ihre Abgaben nieder und der Obervasall nickte dies ab. Waren die Abgaben zu gering, befahl er dem Bauer nach Hause zu gehen und weitere Abgaben in Form von Getreide oder Rohstoffen zu suchen. Serafina gab im Verhältnis recht wenig Abgaben an den König ab, was jedoch immer abgenickt wurde. Gabriella sammelte hingegen soviele Abgaben innerhalb einer Woche, wie sie nur konnte. 

Der Schnee bedeckte mittlerweile nicht nur die Felder, sondern auch alle Hütten, Häuser und das Schloss des Königs. Ein kalter Wind pfiff durch die Gassen und die Stadtmauern schienen noch mehr Kälte auszustrahlen. Alles war zu Eis erstarrt. Die Arbeit auf dem Feld konnte vorerst nicht mehr aufgenommen werden. Dies führte dazu, dass Serafina am Abend des zehnten Novembers beschloss, nach Tinnos zu gehen. Die gehängten Frauen wurden dort eine Woche zur Schau auf dem Marktplatz belassen, sodass alle anderen Bauern sehen konnten, was mit denen passierte, die sich nicht an die Gesetze hielten. Das bedeutete auch, dass man sie morgen abhängen und verbrennen würde. Sie musste heute Nacht dorthin. Ihre Wunde war komplett verheilt, jedoch war es auch diesmal nicht leicht, nach Tinnos zu kommen. Letztes Mal war sie noch nicht mal in die Stadt hinein gekommen, da dort Wachen stehen und die Stadtmauern bewachen. Doch dies hatte sie bedacht. Wie auch in Xenos waren die Wachen in Tinnos reduziert worden. Durch die Kälte und den Schneefall war es ohnehin unmöglich, die ganze Nacht Wachen abzustellen oder noch irgendetwas zu erkennen. Dies war ihre Chance. Sie würde den Schneesturm nutzen, um nach Tinnos zu kommen. Dort würde sie dann endlich erfahren, ob ihre Töchter noch lebten oder schon tot waren. Dann wüsste sie auch, ob die Obervasallen in Tinnos ihre Töchter verraten und dem König ausgeliefert hatten oder nicht. Und doch, als sie durch den Unterschlupf kletterte, klangen ihr die Worte von Gabriella im Ohr. Es wird ein Sturm heranziehen und uns alle unter Schnee begraben. Dies war eingetreten. Doch dann hatte sie doch noch etwas gesagt. Es wird eine Situation entstehen, in der ich dir sehr weh tun muss oder mein eigenes Leben verliere. Dies war noch nicht eingetreten. Doch darum konnte sie sich jetzt keine Gedanken machen, schließlich war sie ohne Gabriella unterwegs und so konnte sie ihr weder weh tun, noch ihr eigenes Leben verlieren. Oder doch?

Fortsetzung Folgt!!! 

Euer Seralgo Refenoir
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Geschrieben von SeralgoRefenoir [Profil] am 12.03.2018

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Tags (Schlagwörter):

Gabriella, Serafina, Mittelalter, Schneesturm

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