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Spektrum des Seins

Eine dichterische Bearbeitung des Faust-Themas.

Spektrum
des Seins

Am Rande der Verzweiflung frag ich mich,
welch komplexe Struktur verhindert,
dass die Welt auseinanderbricht,
da doch jede Formel eine andere ergänzt,
der Gesetzeskatalog in seiner Perfektion glänzt,
einem gewaltigen Zahnrad gleich
ein System betreibt,
das unsrer Erkenntnis entweicht.
Der Erde entfliehen,
mich dem Sinnlichen entziehen,
das ist mein Wunsch, das ist mein Traum,
dem Göttlichen zu erliegen,
mich erhebend zu siegen
über Zeit und Raum.
Der unruhige Drang, den ich verspür,
die Vollkommenheit, die mich verführt,
sie treiben mich nach oben
zu einem neuen Ort,
weg und fort,
wo, enthoben und verwoben,
ein ordnendes Prinzip
die Fügungen des Schicksals lenkt
und das Gefüge der Welt erdenkt.
Mir Zugang zu verschaffen
muss ich es schaffen,
in Kontakt damit zu stehen
und einen mächt´gen Geist zu flehen,
mir die Fesseln zu entbinden,
um das Verborgne zu finden.
Da steh ich nun, ich armer Tor,
finde mich am Abgrund vor!
Verfallen bin ich einer dunklen Kraft,
die sich gern am Tod erfreut,
niemals eine Tat bereut,
sondern stets das Böse schafft
und das Gute peinlichst scheut.
Es ist ihr eigentliches Element
zu befreien, was sich Begierde nennt,
und löst die Ketten unsrer Gier,
verwandelt uns,
oh Vernunft, in ein krankes Tier!
Dem Sein meiner Selbst bin ich stetig entflohen,
habe mich, in Irrungen und Verwirrungen,
schließlich im Schein der Lüste verloren,
dessen Zustand zu verlassen ich nicht mehr vermag,
weil ich angesichts der ständigen Verlockungen
kläglich daran scheiter und versag,
mich in Schach zu halten
und den Rausch zu beenden,
der daran Schuld ist,
dass beständige Dinge schnell verenden.
Einst genoss ja meine Herzensglut,
von lieblichen Mächten entfacht,
sinnliche Wärme der Quelle,
die ich, sorgsam und bedacht,
in den Händen hielt,
doch nun schrei ich aus Zorn und Wut
ins Vergangene, ins weite Leere,
mich erinnernd ans Band der Liebe,
an dem ich noch immer zehre.
Erst durch sie konnten Früchte
intensiven Empfindens gedeihen,
die dem Vergänglichen dieser Welt
auch Bedeutung verleihen.
Doch nun steh ich vor der Klippe
in Schweigen und Stille,
gebrochen sind mein Stolz, mein Wille,
die einzigen Stützen des Lebens,
das Überleben der einzige Sinn meines Strebens.
Nirgends mehr fühl ich mich geborgen,
das Schicksal hat genau mich auserkoren,
ausgerechnet ich wurde in dieses verdammte Leben geboren.
Wenige schöne Momente,
seltene Elemente,
die das Korn meiner Freude ernten
und manchmal die Grausamkeiten dieses Lebens
aus den Augen entfernten,
sind dennoch als Erinnerungen
durch mein Bewusstsein gedrungen,
als in der Finsternis leuchtende Kerzen,
allzeit schmerzend,
um nicht die letzten Referenzpunkte
dieser Welt auszumerzen,
denn längst beruht nun mehr meine Wirklichkeit
auf leerer Einsamkeit,
verachtenswerter Feigheit,
antriebsloser Trägheit,
doch ich brauche wieder Klarheit,
jungfräuliche Reinheit,
mit Menschen eine Gemeinsamkeit,
eine Rückkehr in die Normalität,
eine neue Identität,
die mir verrät,
wo es hier entlang geht,
weil ich Tag für Tag fleh und bet,
dass morgen endlich der Tod vor der Türe steht.
Hörst du sie? Die Stimmen erschallen,
der Schleier meiner Unschuld ist gefallen,
nachts verfolgen mich finstre Schatten,
die Gestalten meiner Schuld
treten in die Wunden der Zeit,
die wir gemeinsam verbrachten.
Wir taten, was wir wollten,
doch verstießen gegen, was wir sollten.
Zu ertragen, was auf meinen Schultern lastet,
ist erst möglich, wenn der Durst nach Freiheit rastet.
Doch mich lasst endlich von hier entschwinden!
Versteht nur, was ich letzten Endes will:
Die Grenzen meiner Existenz überwinden.

Simon Garbin

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Geschrieben von Seonimus [Profil] am 10.04.2015

Aus der Kategorie Sonstige Gedichte



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Tags (Schlagwörter):

Faust, Streben, Göttlich

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