Pegasus im Joche (II)
In der Klinik einer nicht genannten Stadt,
wo abertausend Kranke ihrer Heilung hoffen,
liegt, gefesselt, früh ergraut und matt,
ein Mann, verschreckt die Augen offen.
Unwirklich nimmt er das Geschehen wahr,
wähnt vielmehr sich noch steigend hoch zu schneeigem Gefilde,
wo so behende er im Urlaub war,
voll Duft die Brust, das Auge satt vom bunten Bilde.
Der vordem intakte Körper ist entstellt.
Vier Schläuche teilen seine Brust,
bestimmen seine neue Welt;
im Schmerz verflogen alle Lebenslust.
Ein Empyem gab seinem Odem fast ein jähes Ende
und hat die Pleura eitrig, schwartig, zäh gemacht.
Spülung entlang der Lungen-, Rippenwände
Tag und Nacht.
Wie weit entfernt die Kraft, die Berge meistern hieß,
der Jodler, der die Andacht pries.
Im Fernsehn Weihnachtslichter, Kinderlieder
und "Fried auf Erden!" immer wieder.
Unbeweglich, schweißnass, voll Antibiotika -
schlaflose Nächte. - Niemand da?
Jetzt stoppt der Zugang der Kanülen,
die Pumpe pfeift, Betaisodona fehlt beim Spülen.
Ein Finger trifft das Notruflicht,
der Pfleger kommt, der späten Schicht.
Wer zählt die Kranken der Onkologie,
die, chemievertrauend, leben: "Jetzt oder nie!" -
Teilerneuert - halbe Klono -.
"Ecce homo!"
-
Ein Zeitsprung. - Hier ein Jahr voraus:
Ein junger Rentner tritt vors Haus.
Das Auge blitzend, straff der Gang,
marschiert er stolz den Weg entlang.
Nicht mehr das kranke Wesen. - Königlich
ein neu Geschöpf erhebet sich!
So steigt er froh den Deich empor:
Er lauscht; ihn ruft der Musen Chor.
Im Blicke zu der Berge Höhn
entschwebt er, ward nicht mehr gesehn.
Ein Stern, sagt man, sei er im Himmel der Poeten
mit Schweif, im Umlauf der Kometen.
Zuletzt war er im Sternbild Waage . . . -
Das ist es, was ich weiß und sage.
.
Geschrieben von Anonym [Profil] am 29.07.2008 |
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Kommentare und Punkte zu diesem Gedicht
Ingrid von Mengede | 30.07.2008, 09:49:25 | ||
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luna | 22.10.2010, 19:00:55 | ||
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