Der alte Mann
Feierabend, Wochenende,
überall herrscht reges Leben.
Wo man hinsieht, wimmelt es
von Menschen, die nach Hause streben.
So fahr auch ich, halb wie im Schlafe,
die immer gleiche Strecke heim,
und schau dabei dem Treiben zu -
das Auto kennt den Weg allein.
Da trifft mein Blick eine kleine Gestalt,
auf Höhe der Schule angekommen,
von den heimwärts tobenden Kindern wird
sie jedoch gar nicht wahr genommen.
Den alten Mann, ich kenne ihn,
eigentlich nur vom Vorüberfahren.
Doch ist sein Bild mir so vertraut
geworden in den letzten Jahren.
Die Hose ist zu kurz geraten,
sein Mantel auch schon etwas weit,
der Hut, er ist von gleicher Farbe,
und sah schon eine bess're Zeit.
Dünn wirkt der Alte und zerbrechlich,
vorsichtig geht sein tippelnder Schritt.
Mit der Hektik dieser lauten Welt
kommt er längst schon nicht mehr mit.
Seine müden, blassen Augen scheinen
stumm nur vor sich hin zu blicken.
Nichts verraten sie dem Betrachter,
was er erlebt, was er gelitten.
Seine Zeit, die war eine andere,
und scheint ihm ewig schon entfernt,
jetzt ist des Lebens er so müde,
denn Freude hat er längst verlernt.
So viele hat er sterben sehen,
die Frau, die ging ihm längst voraus,
er lebt in der Erinnerung,
und Heute ist ihm nur noch Graus.
Er rührt mich an, der alte Mann,
und dass wohl niemand an ihn denkt,
drum hab ich ihm so oft im Geiste
schon manches freundlich Wort geschenkt.
Im Spiegel wird er immer kleiner,
bald ist von ihm nichts mehr zu sehen.
So hab ich es auch heut verpasst,
mit ihm ein Stück des Wegs zu gehen.
Wohin er geht und wer er ist,
das werd' ich wohl nie wissen.
Doch ist er eines Tages fort, ich weiß -
ich werde ihn vermissen.
© Andreas Böttcher
Geschrieben von Andi [Profil] am 16.08.2012 |
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Vergänglichkeit, Alt, AlterwerdenBewertungen
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Kommentare und Punkte zu diesem Gedicht
HB Panther | 16.08.2012, 16:23:17 | ||
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Andi | 16.08.2012, 17:07:03 | ||
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possum | 17.08.2012, 00:16:47 | ||
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homepoet | 17.08.2012, 08:39:35 | ||
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Andi | 17.08.2012, 12:13:17 | ||
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