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Verborgen


Sie ließ nicht locker. Sie fasste ihn an seinem Unterarm und versuchte, ihn so wieder zurück zu holen. Er kümmerte sich wenig darum, ging weiter geradeaus. Sie riss an seiner Jacke, welche ihm schon fast erwürgend um den Hals geschlungen war. Es interessierte ihn nicht, er machte Schritt für Schritt geradeaus. Sie rüttelte, zog, und schlug – er hielt an und drehte sich um. Sie keuchte und schnaufte vor Anstrengung. Sie weinte und schluchzte. Sie blickte zu ihm auf, stand nah vor ihm, ihr Kopf reichte gerade so bis zu seinem Hals. Sie löste den Griff von seinem Ärmel und ergriff seine Hände. Sein Blick ging gerade aus über ihren Kopf, als ob er sie gar nicht bemerkte. Seine Augen hatten keinen Fokus, sondern blickten in die Ferne. Er schwenkte seinen Kopf von links nach rechts, jedoch ohne dabei suchend zu wirken. Lediglich eine leichte Brise zwang ihn, dabei auch zu blinzeln.


Du musst anhalten, anhalten, anhalten!


Er blickte nach unten, nun direkt in ihre Augen. Sein Blick war immer noch leer. Er atmete ruhig und ohne jedes Anzeichen von emotionaler Regung. Seine Arme hingen locker an seinem Körper herunter, seine Hände waren entspannt und reagierten mit Nichten auf das Drücken von ihr.


Du hättest nicht weggehen dürfen.


Er reagierte nicht auf sie.


Warum lässt du mich nicht einfach ausreden? Warum unterbrichst du mich einfach, wenn ich dir doch gerade versucht habe zu erklären, wie ich das gemeint habe?


Ihre Worte waren fast nicht zu verstehen, so sehr schluchzte sie. Sie blickte tief in seine immer noch so leer wirkenden Augen.


Alles, was ich mir wünsche, ist, dass du mir ab und zu etwas mehr Aufmerksamkeit schenkst. So viel ist das doch gar nicht. Du bist ja auch nie da. Verstehst du? Ich vermisse dich so sehr, dass es wehtut.


Sie ließ sich an seine Brust fallen, lehnte ihren Kopf an ihn an. Genau wie vorhin, als sie auf der Bank saßen. Alleine. Mit Blick auf die Alster. Ungeachtet der Menschen um sie herum. Bis er aufstand und ging.


Weißt du eigentlich, wie schön es gerade war? Wie oft wünsche ich mir mehr davon? Sehr oft. Zu oft. Schmerzlich oft. Ich bin so froh, wenn du Zeit für mich hast. Ich träume sogar davon…


Sie hielt inne.


Bist du noch da? Ich höre nicht, wie dein Herz schlägt?


Sie zog ihren Kopf zurück und blickte ihm mit großen Augen ins immer noch leere Gesicht. Es war nicht so, als blicke sie in das Gesicht eines Leblosen, aber sie hatte nicht das Gefühl, als schaue sie in das Antlitz von der Person, der sie gerade noch voller Wärme auf der Bank in den Armen lag.


Sag doch was. Sprich doch endlich. Sag, was doch eigentlich schon lange gesagt werden muss.


Ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen. Er räusperte sich, holte tief Luft und sprach.


Was willst du denn noch hören? Ich habe dir schon alles gesagt, was ich zu sagen habe.


Was denn? Wann denn? Ich bin doch nicht taub. Du hast kein sterbes Wörtchen gesagt.


Nein? Habe ich das nicht? Dann sprechen wir wohl nicht dieselbe Sprache.


Ihre Stimmung schlug nun um. Sie wurde zornig und wütend.


Was willst du damit sagen? Wiederhole, was du angeblich gesagt hast. Los!


Er fokussierte nun ihre Augen mit den seinen. Sein Blick wurde voller, er wirkte wieder lebendig.


Ich habe alles gesagt – nicht mit Worten, mit Taten. Ich hielt deine Hand.


Er drückte mit seinen Händen ihre Hände nun fest.


Ich blickte zu dir hinüber, wenn du mir von dir erzähltest. Ich ging mit dir im Gleichschritt. Ich setzte mich ganz nah zu dir. Ich atmete tief ein, um deinen wunderbaren Duft einmal mehr zu genießen. Ich legte meinen Arm um dich. Und dann kamst du…


Sie ließ ihren Blick fallen.


Ich weiß. Es war zu früh, nicht wahr?


Er löste den Griff seiner rechten Hand, bewegte sie Richtung ihres Kinns, drückte ihr Gesicht sanft nach oben, blickte ihr tief in die Augen. Dann schloss er seine Augen und küsste sie – sanft – still – leise - mit Gefühl. Er flüsterte danach.


Nein. Es fühlte sich zu echt an, um wahr zu sein.


Dann bist du auch in mich verliebt?


Sein Blick wurde wieder leer. Er ließ sie vollständig los, machte auf dem Absatz kehrt und ließ sie zurück. Alleine.


Ja, das bin ich.



Avatar Lex Sportacus

Geschrieben von Lex Sportacus [Profil] am 12.05.2014

Aus der Kategorie Moderne Lyric



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Tags (Schlagwörter):

Verborgenheit, Paradox, Kummer, Liebe

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