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Kleiner Michael

Es war einmal ein kleiner Junge, der sich immer nur mit sich selbst zu beschaeftigen verstand. Er konnte einfach nichts mit anderen Leuten anfangen. Jedenfalls nicht mit sehr vielen.

Auch an diesem Abend sass er allein in seinem Zimmer und schrieb eine Geschichte ueber einen Superheld, der er insgeheim gerne sein wuerde, und die Welt retten wuerde.Niemand sonst war zu Hause von der Familie und auch keine Freunde oder irgendjemand, der bei ihm war, von dem er je das Gefuehl hatte , verstanden zu werden.

Allein in seinem Raum versuchte er sich klarzumachen, das das eben die Weise ist, wie er ist. Und das er sich mit anderen eben kaum wohlzufuehlen verstand. Allein konnte er derjenige sein, der er glaubte zu sein, oder sein wollte, ohne sich beobachtet oder kritisiert zu fuehlen.

Er schrieb in sein kleines Tagebuch jeden Abend und lass Geschichten, die ihm besser fuehlen liessen, als die Umgebung, von der er sich abgeschottet fuehlte. Es ging ihm besser auf diese Weise.

Manchmal wuenschte er sich, dass er anders waere. Dass er nicht seinen Kopf voll dieser Gedanken haette, die ihm sagten, dass er schwach ist und die anderen nichts fuer ihn sind. Dass er einfach waere. Ganz normal. Dass er wusste, wozu das ganze gut war, warum er so war, wie er war, und Tag fuer Tag, Abend fuer Abend mit sich allein war. Er versuchte herauszu finden- durch lesen, nachdenken, Alte um Rat fragen, sich den Kopf zerbrechen jeden Tag- was der Grund war, das er so jemand war, der er eben war. Aber er fand es nicht heraus. Manchmal hatte er kleine Erleuchtungen und probierte gedanklich neue kleine Dinge aus, und der Energieschub hielt -fuer wenige Tage, bevor er wieder einbrach.

‘Sinnlos’ war eines der Woerter, die oefter seine Gedanken kreuzten.



Am naechsten Morgen sass er wie immer am Fruehstueckstisch und ass wie jeden Morgen seine gezuckerten Cornflakes mit Milch. Seine Mutter war Anwaeltin in einem kleinem Buero in der Stadt und sein Vater fuehrte einen kleines Lokal, von dem die Familie nur als “Imbiss” sprach.

Seine Eltern tauschten einen vielsagenden Blick ueber seinen Kopf hinweg und seine Mutter setzte sich sanft zu ihm.

“ Schatz, ich weiss, du bist etwas einsam in letzter Zeit, nicht wahr? Ich weiss, du warst nie jemand hyperaktives, aber-“ Sie schaute ihn an, er aber loeffelte unbeirrt weiter an seinem Fruehstueck.

“ Gibt es Probleme, mit denen du nicht zurecht kommst? Moechtest du darueber reden?”

Keine Antwort.

Seine Mutter nickte ihren Mann zu, damit er sie unterstuetzen kam. Er setzte sich zoegerlich zu den beiden.

“ Sohn-“ rang er nach Worten, in einer Situation zu der ihm seine Frau, und sein Gewissen zwangen, “Ich hab eine Frage. Wie schmecken die Cornflakes?”

Keine Antwort.

Sie schickte ihm einen kurzen boesen Blick, um ihn zu erinnern, doch einen ordentlichen Vater abzugeben.

“ Hoer zu Junge, koennen wir irgendetwas tun? Gibt es etwas das du brauchst, oder das dir fehlt? Gibt es irgendetwas, das wir fuer dich tun koennen, damit es dir besser geht?”

- “ Mich nicht mit Fragen loechern.”

Seine Mutter verdrehte die Augen.

“ Wir meinen das ernst, Michael!”

- “ Ich auch.”

Als waere das alles, was er dazu zu sagen hatte,wandte sich Michael wieder seinem Fruehstueck zu und liess seine Eltern ratlose Blicke austauschen.

“ Gut, wir reden spaeter, Schatz. Ich muss ins Buero.” Sagte seine Mutter, gab Michael einen Kuss auf die Wange und nahm ihre Tasche und Jacke und verschwand aus der Haustuer. Sein Vater nahm kurz danach ebenfalls seine Sachen und klopfte Michael leicht auf die Schulter:

“ Komm nicht zu spaet zur Schule.” Er liess eine Pause, aber bevor er noch etwas sagte, wandte er sich ab und verabschiedete sich ebenfalls aus der Tuer.

Michael ass auf, spuelte seine Schuessel ab, nahm seine Schulmappe und verliess als letztes das Haus.





Knarzend liess er sich auf einem Fensterplatz nieder. Als der Bus anfuhr, schaute Michael durch die Scheibe in den kuehlen daemmrigen Morgen und bewunderte den dunklen Himmel, der sich langsam aufhellte. Er wunderte sich, wieviele Geheimnisse dort draussen in der Weite der Welt warteten, entdeckt zu werden. Was gab es alles unter diesem daemmrigen Himmel, von dem er nichts wusste? Bei den Vorstellungen die er traeumend vor sich sah, laechelte er- innerlich.



“ Michael!” rief Frau Lederbaum, “ dies ist die dritte Unterrichtsstunde und du guckst aus dem Fenster und traeumst. Entweder immer noch, oder es faengt schon wieder an.”

Peinlich ueberrascht wandte er sich seiner Lehrerin zu.

“ Es tut mir leid,” sagte er und senkte seinen Kopf.

- “ Traeum wenigestens in Richtung der Tafel, damit es nicht ganz so auffaellt! Ich moechte dich nach der Stunde sprechen.”

Die anderen Schueler schauten kurz in seine Richtung, bevor Frau Lederbaum mit dem Unterrichtsstoff fortfuhr. Als es zur Pause klingelte, und alle Mitschueler dem Klassenzimmer entschwanden, packte Michael noch seine letzten Sachen in seine Mappe und wich den Blicken seiner Lehrerin aus.

“ Michael, was ist los? Ich dachte wir haetten ein Verstaendnis? Muss ich nun doch deine Eltern einladen und mit Ihnen darueber sprechen? Ich dachte, dass wir das zwischen uns ausmachen koennen.”

Sie legte ihre gepackte Tasche auf den Lehrertisch und setzte sich zu Michael in die zweite Reihe.

“ Warum bist du so unmotiviert? Du traeumst meistens vor dich hin, gibts unschluessige Antworten, schliesst dich kaum einer Gruppe an. Was geht in dir vor? Hast du Probleme zu Hause? Ist dir die Schule zu schwer? Oder zu leicht? Bist du vielleicht depressiv?”

- “ Frau Lederbaum?”

“ Ja, Michael?”

- “ Ich bin Zwoelf.”

Seufzend lehnte sich Frau Lederbaum in den hoelzernen Schuelerstuhl und starrte Michael an. Der schaute unbeirrt auf seine Tischplatte, als wuerde sie ihm helfen, dies durchzustehen.

“ Frau Lederbaum?” fragte Michael, ohne sie anzusehen, “ Warum muessen wir zur Schule gehen?”

Sie lachte kuenstlich.

“ Damit ihr etwas lernt. Fuer das Leben das euch bevor steht.”

Er sah auf die Tischplatte.

“ Wozu?” fragte er sie.

Sie laechelte.

“ Damit ihr die wichtigen Dinge des Lebens lernt, die ihr brauchen werdet, wenn ihr aus der Schule in das wirkliche Leben entlassen werdet. Eines Tages. Damit ihr eine Grundlage habt.”

Michael liess nicht ab von der Platte, und schwieg.

“ Hoer zu, Michael. Ich weiss du kannst das besser. Wir probieren das einfach nochmal, die ganze naechste Woche, und wenn es normal laeuft, lassen wir deine Eltern aus dem Spiel. In Ordnung?”

Michael sah hoch, jedoch nicht zu seiner Lehrerin.

“ Das koennen sie ruhig. Die denken so wie sie.”

Frau Lederbaum stutzte kurz.

“ Wie bitte? Was meinst du damit, Michael?”

- “ Meine Eltern denken auch, das etwas mit mir nicht stimmt. Zuhause werde ich auch geloechert.”

Die Lehrerin lachte nervoes auf und setzte sich jetzt genau vor ihren Schueler und sah ihm direkt ins Gesicht.




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Geschrieben von Anonym [Profil] am 15.12.2007

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 ursulaneudeck Anonym vom 15.12.2007 28.06.2010, 20:12:42  
Avatar kein BildKleiner michael! Tag für Tag , und Nacht für Nacht, hat jeder nur an sich gedacht, Gabst auf Dich selber acht, keiner war da, der Ihn verstand, und jeden Tag das selbe Spiel, doch von Liebe gab,s nicht viel. Kleiner Michael heut gross, heut sitzt du nicht mehr auf Mutters Schoss, Gehst zur Arbeit Schule fein, denn du sagst das muss so sein. Könnte man die Zeit zurückverstellen, so wie Wellen, gäbe es viel zum Richtigstellen. Wie wird dein Weg weiter gehn?: So das alle Dich verstehn?. Und mit Dir gemeinsam geh,n, in eine Welt wo nur die Liebe zählt, als gemeinsam als Familie, fest zuasammen hält, in einer neuen Welt. Das wünsch Ich Michael, allzeit, und dieses ist nicht mehr weit. Viel Glück wünsch Ich dir , und geh ein kleines Stück mit Dir.

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