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Pacificare - Episode 12: Wendepunkte

"Pacificare" - Kapitel 1 - Episode 12 von 15: Wendepunkte

Serafina blieb noch eine Weile bei der Leiche von Helena sitzen und schaute sich ihre Hände so genau an, wie nur möglich. Sie konnte es nicht fassen, was alles in Xenos geschehen war. Wenn sich Gabriella und sie in einem Punkt immer einig waren, dann dem, dass man Frieden in diese Stadt bringen will. Bauern sollen Rechte erhalten, leben dürfen und sich entfalten können. Die Könige sollen irgendwann weniger Macht haben und nicht über die Bauern bestimmen können. Sie nicht mehr wie Tiere behandeln dürfen. Doch davon waren sie meilenweit entfernt und es schien fast so, als sei Xenos völlig vom Weg abgekommen. Der Frieden stand hier schon lange nicht mehr im Mittelpunkt. Erst zog dieser Schneesturm auf, dann starben Menschen, Bauern wurden gefoltert und getötet und die Ernte wurde zu großen Teilen zerstört. Was soll daran auch nur ansatzweise in eine friedliche Zukunft zeigen? Bauern litten schon so lange unter den Königen und ihren Vasallen und nichts hatte sich verbessert. Serafina schaute unzufrieden auf die letzten Wochen zurück. Wenigstens ihre Tochter und die von Gabriella lebten noch. Zwar konnten sie sie derzeit nicht sehen, da sie in Tinnos versteckt gehalten wurden, aber sie lebten immerhin noch und sie hatten beide einen Obervasallen aus Tinnos zum Freund. Vielleicht würde sich daraus irgendwann etwas ergeben, was man für den Frieden nutzen konnte, wenn es nicht vorher zerstört wurde.

Helenas Leiche war der Höhepunkt einer langen Kette von schlimmen Ereignissen. Helena war auch eine Art Seherin gewesen, was sie aber nie wirklich offen ansprach, doch Serafina wusste es von Gabriella. Vielleicht hatte sie etwas gesehen und wollte es sich merken, indem sie es sich einbrannte? Was sollten die Buchstaben "G" und "a" in ihrer Handfläche nur bedeuten? Es schien fast so, als wollte sie ein Wort hinterlassen, hatte es aber nicht mehr rechtzeitig geschafft. Wer hatte sie ermordet? Und als sie darüber nachdachte, sprang ein anderer Gedanke zurück in ihren Kopf. Gabriella hatte vor Kurzem erst den Schneesturm vorausgesagt und dieser war auch tatsächlich eingetreten. So stark hatte es schon jahrelang nicht mehr geschneit. Doch hatte sie nicht noch eine andere Prophezeiung gemacht? Hatte sie nicht gesagt, dass ihre Freundschaft in eine Situation geraten werde, in der Gabriella entweder stirbt oder Serafina sehr weh tun muss? Dies war bisher noch nicht eingetreten. Serafina dachte an die Vergewaltigung. Die hatte ihr viele Schmerzen zugefügt. Doch mit dieser hatte Gabriella ganz sicher nichts zutun. Oder doch? Nein warum sollte sie, das ergab alles keinen Sinn. Jedoch war Gabriella ebenso ein Medium wie Helena, zumindest in Ansätzen. Darüber gesprochen hatten sie nie, aber diesen Schneesturm konnte sie damals voraussagen. Helena war ihr Vorbild und beide waren sehr miteinander verbunden. Dann diese Buchstaben "G" und "a" in ihren Handinnenflächen. So fing natürlich auch "Gabriellas" Name an. War sie der Schlüssel zu etwas? War dies ein Hinweis darauf, dass Gabriella in irgendeiner Form in diese Sache involviert war? Doch da fiel Serafina erst ein, dass sie vermutlich noch gar nicht über den Tod von Helena Bescheid wusste. Sie würde, wenn sie nicht selbst die Mörderin war, in unendliche Trauer verfallen.

Als Gabriella es erfuhr, wirkte sie zunächst ruhig, aber in sich gekehrt. Helenas Tod konnte sie nicht kalt lassen, dafür war sie immer ein zu großes Vorbild für sie gewesen. Natürlich wollte Gabriella sofort wissen, wer es gewesen ist, aber darauf gab es bekanntlich noch keine Antwort. Alles wirkte so, als stünde sie unter Schock und könne nicht fassen, was sie da eben gehört hatte. Auf die Frage hin, ob Helena sich irgendwie komisch verhalten habe oder Feinde hätte, konnte Gabriella ihr nicht weiterhelfen. Sie wirkte nachdenklich, aber Helena schien so wie immer gewesen zu sein, außer dass sie nervöser wirkte in den Betstunden. Nervöser? Hatte sie etwas geahnt? Hatte sie vielleicht ihren eigenen Tod vorausgesehen? Das ergäbe Sinn, denn daraufhin hatte sie wohl nur noch wenig Zeit, eine Nachricht so zu hinterlassen, dass man sie nicht entfernen konnte. "G" und "a" in den Innenflächen. Erst traute sich Serafina nicht, zu fragen, was diese Buchstaben bedeuten könnten, aber dann nahm sie all ihren Mut zusammen und sprach es bei Gabriella an. Sie wusste vielleicht mehr und war sicherlich auch daran interessiert, den Mörder von Helena zu finden. Doch für sie ergab alles keinen Sinn. Dass sie eventuell "Gabriella" einritzen wollte, glaube Gabriella nicht. Sie standen sich zwar nah und hatten sich viel ausgetauscht, aber Gabriella war nur eine gute Freundin gewesen, mehr nicht. Sie beteuerte nochmal, wie nah ihr der Tod von Helena ging. Kleine Tränen kullerten nun von ihrer Wange und endlich zeigte Gabriella wieder Gefühle. Es hatte sie nicht nur geschockt, sondern einen riesigen Riss in ihre Vorstellung von Frieden und Glaube gerissen. Helena war tot und niemand wusste, wer es getan hatte. Der König von Tinnos war ermordet worden und niemand wusste, wer es getan haben könnte.

Doch dann stellte Gabriella in ihrer Trauer eine Frage, die Serafina wie einen Blitz durchfuhr. Sie wollte wissen, ob sie in der Nacht, in der sie durch die vielen Schmerzen der Peitschenhiebe ohnmächtig in ihrem Haus gelegen habe, nach Tinnos geschlichen war, um nach ihren Töchtern Ausschau zu halten. Serafina wollte ihre beste Freundin nicht anlügen und antwortete ihr mit einem klaren "Ja". Sie habe es bis zur Westmauer geschafft, wollte dort hindurch und traf dort auf einen Mann namens Eric. Er war einer der Obervasallen von Tinnos und gleichzeitig der Freund ihrer Tochter. Beiden ging es gut. Zum Glück. Sie würden ihre Töchter bald wieder sehen können. Eric ging zurück nach Tinnos und sie zurück ins Haus. Und in dem Moment ertappte sie sich selbst beim Lügen. Sie wusste genau, dass es so nicht war. Sie war nach Tinnos gegangen und war dort vom König vergewaltigt worden. Doch davon wusste Gabriella immer noch nichts. Sie ahnte nicht, was Serafina dort zugestoßen war. Eine Gräultat, die seinen Tod fast schon rechtfertigte. Gabriella glaubte ihr die Geschichte vorerst, so wie sie es erzählte, auch wenn sie Bedenken bei dieser Geschichte zu haben schien. Immerhin war in dieser Nacht der König von Tinnos ermordet worden. Wäre Serafina dort gewesen, käme auch sie als Mörderin in Frage. Darauf wies sie Gabriella am Ende noch einmal hin. Wie gut, dass sie in dieser Nacht damals Xenos nicht verlassen konnte. Und wie gelogen das war. Sie belog ihre beste Freundin, doch auch diese schien Geheimnisse zu haben oder bildete sie sich das nur ein?
Und wieder klopfte es an der Hüttentür von Serafina und erneut stand der König von Xenos vor ihr. Neuigkeiten zu Helena hatte er ebenso wenig wie Serafina, aber er hatte eine Nachricht an Gabriella abzugeben, die sehr wichtig war. Beide schauten den König verdutzt an. Was für eine Nachricht? Was wollte er nur von Gabriella? Doch er war nur gekommen, um ihr etwas auszurichten. Ihr Untervasall Kalamar sei soeben tot in der Scheune aufgefunden worden. Auch ihn hatte es dahin gerafft. Wer sein Mörder war, wusste niemand, aber der König und die anderen Vasalle waren furchtbar aufgebracht. Jemand in Xenos schien wahllos Menschen zu töten und auch vor Vasallen oder sogar Königen nicht Halt zu machen. Die Lage spitze sich zu und es war sehr ernst. Er ließ ihr außerdem ausrichten, dass sich ein Obervasall namens Eric aus der Stadt Tinnos bereit erklärt habe, fortan die Aufgaben von Kalamar zu übernehmen. Dies bedeute zwar eine Herabstufung in einen Untervasall, jedoch habe er eingewilligt, diese Aufgaben vorerst zu übernehmen. Er wird sich morgen melden. Eric. Das hatte er ja mal geschickt eingefädelt. Dass Kalamar tot war, musste für Gabriella eine riesige Erleichterung sein, auch wenn sie dies niemals aussprechen würde. Er hatte sie mehrmals gefoltert, verprügelt und gedemütigt. Sofort war sich Gabriella sicher, dass ihr Beten doch etwas bewirkt habe. Eric als Untervasall machte ihr Leben um einiges erträglicher. Alles schien sich zum Guten zu wenden oder etwa doch nicht? Immerhin lief jemand in Xenos umher und tötete Menschen. Was bedeuteten die Buchstaben auf Helenas Handfläche? Wann würden sie dahinter kommen, dass Serafina den König von Tinnos ermordet hatte und wer würde seine Rolle als König bald übernehmen? Wer hatte Helena und Kalamar getötet? Und wieder klangen ihr Gabriellas Worte von damals im Ohr. Wir werden in eine Situation geraten, in der ich dich verletzen werde oder selbst sterben muss. Immer wieder hallte dieser Satz in ihrem Ohr nach. Würde dies wirklich eintreten? Was konnte Gabriella machen, um sie zu verletzen? Was wenn....oh nein. Was wenn sie....


Fortsetzung Folgt!


Euer Seralgo Refenoir

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Geschrieben von SeralgoRefenoir [Profil] am 10.07.2018

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Tags (Schlagwörter):

Mittelalter, Serafina, Gabriella, Könige, Vasalle, Sturm

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