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Pacificare - Episode 10: Eric

"Auch er schaute verdutzt durch das Loch hindurch und schien nicht damit zu rechnen, eine Frau dahinter zu treffen, obwohl er scheinbar eine suchte. "

Episode 10: Eric

Es war noch immer bitterlich kalt in Xenos, jedoch kam kein neuer Schnee dazu und es wurde etwas sonniger, sodass der Schnee langsam, aber sicher dahin schmolz. Die Leiche des Königs hatte noch niemand entdeckt und nach der aktuellen Wetterlage würde dies auch noch eine Weile so bleiben. Niemand außer Serafina wusste, dass er tot war. Dass sie ihn ermordet hatte mit einem Messer. Und dass sie jede Nacht daran denken muss, wie er in sie eindrang, sie anhauchte und stöhnte. Dieses Schwein hatte sie vergewaltigt und nun suchte ganz Xenos und ganz Tinnos nach dem Mörder, um ihn zur Strecke zu bringen. Es war einfach paradox. Die Belohnung für denjenigen, der den Mörder entlarvte schien reizvoller zu sein, als die Tatsache, dass ein solches Schwein einfach mal zu Sturz gekommn war. Es gab keinen Bauer, der die Könige mochte oder gar verehrte, ganz im Gegenteil. Sie sahen uns Bauern als Schweine an und wir sie. Trotzdem wollte jeder zuerst die Belohnung abstauben und rannte wie ein dummes Schaf vor dem Wolf umher. Der König von Xenos wusste genau, wie er die Bauern gegeneinander aufwiegeln konnte. Das hatte er wirklich einwandfrei umgesetzt. Einfach eine Belohnung aussetzen, die er vermutlich niemals einhalten würde. Serafina hätte den Mörder selbst dann nicht gesucht, wenn sie es nicht selbst wäre. Für sie war die Position des Obervasallen oder gar des Königs kein Anreiz. Nicht im Geringsten. Sie gehörte zu den Bauern und war unter diesen, eine der Stärksten. 

Gabriella kam gerade von ihrem wöchentlichen Treffen mit den anderen Betfrauen zurück und erzählte ihr davon. Serafina hatte weiterhin nichts dafür übrig und hörte nur mit einem Ohr zu. Diese Betstunden waren für sie immer noch Zeitverschwendung. Mittlerweile kannte jeder Bauer diese Gruppe in Xenos, auch wenn sie geheim gehalten wurde vor den Vasallen und dem König. Viele der Bauern hielten ebenfalls wie Serafina nichts von dieser "Sekte", wie sie es neuerdings nannten. Die Frauen darin hätten keine guten Absichten und es wäre gefährlich, ein Teil dieser Gruppe zu sein. Man konnte diese Gruppe zum Beispiel nicht wirklich verlassen. Wer nicht zur Betstunde kam, wurde gesucht und ermahnt. Danach traute sich meist niemand mehr, nicht aufzutauchen. War man einmal Teil dieser Gemeinschaft, hatte man einerseits immer einen Rückzugspunkt, an den man sich wenden konnte, andererseits war man auch für immer daran gebunden. Was Serafina jedoch mehr beunruhigte war die Tatsache, dass auch Gabriella den wahren Mörder des Königs finden wollte. So gerne würde sie ihrer besten Freundin sagen, dass sie es getan hatte und mit ihr gemeinsam einen Ausweg suchen, aber das konnte sie nicht tun. Gabriella würde es niemals verraten, auch nicht für die Belohnung, aber sie wäre zutiefst enttäuscht von ihr. Ihre Freundschaft hatte bereits Risse bekommen, aber diesen Riss könnte sie wohl nicht mehr repareren. Mord war für Gabriella eine Todsünde. Außerdem hatte Serafina auch Angst, dass sie es in der Betstunde erwähnte oder selbst verrückt wurde, dadurch dass sie es wusste und niemandem sagen konnte. Sobald sie davon wusste, klebte ja auch das Blut der Unschuldigen mit an ihren Händen und das hielt Gabriella sicher nicht aus. Es war schrecklich zu wissen, dass bereits morgen ein weiterer Bauer sterben würde, weil sie sich nicht stellte. Sie hatte den Mut dazu, aber es war noch nicht der richtige Zeitpunkt. Es musste eine andere Lösung geben. Einen Ausweg. Irgendwie musste sich doch für sie noch ein neuer Weg ergeben. Doch wann?

Am kommenden Morgen war Serafina gerade auf dem Weg zur westlichen Mauer, um nachzuschauen, ob ihr geheimer Unterschlupft immer noch geheim war oder bereits entdeckt wurde. Den Stein in der Mauer konnte sie weiterhin bewegen und nach draußen schieben, was sie aber keinesfalls am helligsten Tag machen wollte. Sie ging unauffällig weiter und verfiel sofort wieder ins Grübeln. Ihre Töchter. Lebten sie noch? Sie hatte es in der Nacht nicht geschafft, nachzusehen, als der König sie entdeckte. Eigentlich hatte sie ja einen Eingang nach Tinnos rein gesucht, um nachzuschauen, ob man ihre beiden Töchter gehängt hatte oder nicht. Mittlerweile waren ihre leblosen, toten Körper verbrannt worden. Diese Ungewissheit tat ihr körperlich förmlich weh. Auch wenn es ihr schwer fiel, musste sie die Antwort auf diese Frage noch etwas nach hinten schieben, denn jetzt konnte sie unmöglich nochmal nach Tinnos rein. Auch nachts würde sie sich das nicht mehr zutrauen, jetzt wo es nicht mehr schneite und die Wachenanzahl erhöht worden war. Sie hoffte inständig, dass sie noch lebten. Auch Gabriella machte sich viele Gedanken darüber, vertraute allerdings Gott, dass er ihre Töchter beschützte. Gott konte allerdings nicht jeden beschützen, denn nur wenige Stunden später war erneut ein Bauer tot. Der König machte seine Drohung war und tötete ab sofort jeden Tag einen Bauer, bis man den Mörder oder Entführer des Königs von Tinnos gefunden hatte. Es was grausam und brutal. Man wusste genau, wann er vorbeikommen würde und jeder rannte sofort in sein Haus. Manche, hauptsächlich ältere oder kranke Bauern, bekamen dies nicht immer schnell genug mit und wurden dann von ihm auf dem Weg erstochen. Sie waren meist tot, bevor sie den Stich der Lanze spürten. Als es früh dunkel wurde, wanderte Serafina noch einmal an der westlichen Mauer entlang und schaute sich um. Ihr war, als hätte sie plötzlich ein Geräusch gehört. Jemand verschob einen Stein. In der Mauer, wie es schien. Ihr Stein. Jemand benutzte ihren geheimen Unterschlupf. Wer auch immer jetzt durch diesen Stein kam, wusste von dem Unterschlupf und könnte ihn verraten. Und er kam dem Geheimnis um den Mörder des Königs einen Schritt näher.

Serafina schaute in das Gesicht eines Mannes, den sie irgendwann einmal gesehen hatte, aber nicht in Xenos. Es war weder der König noch irgendein Bauer. Wer war er? Auch er schaute verdutzt durch das Loch hindurch und schien nicht damit zu rechnen, eine Frau dahinter zu treffen, obwohl er scheinbar eine suchte. Er fragte Serafina, ob sie eine Frau kennt, die in Xenos lebt und mit einer gewissen Gabriella befreundet ist. Diese stand vor ihm. Scheinbar beeindruckt und erstaunt von ihr, sagte er etwas, was Serafina einen riesigen Stein vom Herzen nahm. Ihre Töchter lebten noch beide. Und sofort fiel Serafina wieder ein, woher sie ihn kannte. Er war in Tinnos einer der Obervasallen und der Freund ihrer Tochter. Wie er ihr erzählte, hielten sie die beiden Töchter immer noch vor allen anderen versteckt und bisher habe sie noch niemand entdeckt. Seit der König verschwunden ist, konnten sie sich auch etwas einfacher im Schloss bewegen und er einfacher und ungesehen die Stadt verlassen. Er habe Serafina gesucht, um ihr zu sagen, dass es beiden Töchtern gut geht und er ihren Unterschlupf nicht verraten werde. Er wisse sehr wohl, dass dies auch der Durchgang war, durch den ihre Tochter nach Tinnos gekommen war. Es sei zwar noch zu gefährlich ihre Tochter mitzubringen, damit sie sich mal wieder sehen konnten, aber sie richte ihr aus, dass es ihr gut geht. Und dann kam er auf das Thema, das alle bewegte. Die Entführung des Königs. Er fragte Serafina, ob sie denn wisse, wer dahinter stecke, machte aber sofort klar, dass er im Falle des Todes vom König nicht die Position des Königs einnehmen wolle und ebenso nicht der Freund von Gabriellas Tochter, der ebenfalls ein Obervasall in Tinnos ist. Als König könne man niemanden mehr verstecken, zumindest nicht mehr so gut wie vorher. Als König stand man in der Öffentlichkeit und hatte kaum mehr Zeit für jemanden an seiner Seite. Das verstand Serafina gut. Doch sie sagte ihm trotzdem nicht, wer die wahre Mörderin war, obwohl sie ein gewisses Vertrauen zu ihm spürte. Er liebte ihre Tochter und schützte sie schon seit Wochen. Dann würde er sicherlich auch dafür sorgen, dass ihrer Mutter nichts geschah. Er schien trotz seines Rangs ein guter Mensch zu sein. Wen sonst sollte sich auch ihre eigene Tochter aussuchen. Doch ihre Liebe war schwierig, wie er kurz darauf zugab. Sie konnten sich nur spärlich sehen.

Doch dann wollte er von Serafina noch wissen, ob es eine Person in Xenos gab, die geeignet wäre für die Position des Königs, da er davon ausging, dass der König tot war. Da fiel ihr selbst nur Gabriella ein, auch wenn sie sicherlich keine Führungsqualitäten hatte. Doch das konnte man vielleicht lernen, mit der Zeit. Eric, so der Name des Obervasallen und dem Freund ihrer Tochter, wolle die Position mit jemandem besetzen, der ein gutes Herz hat und frischen Wind in die Geschwisterstädte bringt. Er selbst sehe ein, dass sich vieles ändern müsse und auch die Bauern mehr Rechte brauchen. Man dürfe nicht so mit ihnen umgehen und sie so wie Tiere behandeln. Das imponierte Serafina und entsprach auch ihrer Ansicht, doch trotzdem fiel ihr nur Gabriella ein. Sie nannte ihm diesen Namen, doch er nahm es erstmal nur zur Kenntnis und sagte nichts dazu, dass es eine Frau war. In Tinnos gehe man übrigens auch davon aus, dass der Mörder in Xenos leben müsse. Warum dies so war, konnte er nicht beantworten. Serafina sagte dazu nichts und riet ihm, schnell wieder nach Tinnos zu laufen und sich keine Sorgen zu machen. Sie kamen schon klar. Er betonte noch einmal, dass er nicht davon ausgehe, dass der König noch lebte. Wie recht er hatte. Schnell schob er den Stein wieder in die Mauer und Serafina machte sich auf den Weg zurück in ihre Hütte. Eric schaffte es ungesehen zurück nach Tinnos. Doch die Nacht brachte trotzdem eine entscheidene Veränderung mit sich. In Xenos und in Tinnos wurde es wärmer. Am kommenden Morgen war es wesentlich milder und der Schnee begann schneller zu schmilzen. Einen toten Körper konnte der Schnee jetzt nicht mehr bedecken. Und das konnte nur bedeuten, dass man die Leiche des Königs entweder bald oder bereits gefunden hatte. Die Zeit lief Serafina davon. Sie hatte immer noch keine Idee, wie sie aus dieser Misere wieder herauskommen konnte. Weglaufen? Aus Xenos verschwinden und Gabriella zurücklassen? Niemals. Lieber starb sie einen qualvollen Tod, indem sie sich der Sache am Ende stellte, aber wegrennen und feige sein kam für sie nicht in Frage. Als sie am nächsten Morgen vor ihre Hütte trat, konnte man bereits eine aufgeregte Menge sprechen hören. Man hatte die Leiche des Königs gefunden. Jemand habe ihn erstochen. Und das Messer habe man auch gefunden und ein Stück Stoff. Von einem Kleid. Der Mörder sei eine Frau. Und man wisse bereits, wer es war, halte es der Öffentlichkeit aber noch vor. Serafina traute ihren Ohren nicht. In ihr brach jeder Mut und jede Hoffnung zusammen. Man wusste bereits, wer es war. Das konnte für sie nicht gut ausgehen. Wie hatten sie es denn nur herausgefunden? Woher konnte jemand den wahren Mörder kennen? Doch das sollte sie noch früh genug erfahren.

Fortsetzung Folgt in Kürze!

Euer Seralgo Refenoir
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Geschrieben von SeralgoRefenoir [Profil] am 01.04.2018

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Tags (Schlagwörter):

König, Vasallen, 1212, Serafina, Gabriella, Mittelalter

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