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Pacificare - Episode 4: Schmerzen

"Diesen Moment wirst du niemals vergessen", sagt man oft. Und dann kann man sich an nichts mehr erinnern....

Staffel 1 - Episode 4: Schmerzen

Wie war das nur möglich? Serafina traute ihren Augen gerade wirklich nicht. Dieser Raum, sie kannte ihn. Alles kam ihr so bekannt vor. Wo war sie denn hier nur? Und dieser Geruch. Auch der war ihr mehr als vertraut. Es roch nach Kräutern und nach Pflanzen. Abseits von ihr stand ein Kessel auf der rechten Seite. Dann beugte sich jemand über sie und auch das Gesicht kam ihr bekannt vor. Gabriella. Gott sei Dank, es war Gabriella. Sprechen konnte Serafina noch nicht, aber sie erkannte ihre beste Freundin sofort. Dann spürte sie den stechenden Schmerz am Bein. Sie hatte eine Fleischwunde, die in all ihrer Benommenheit immer noch fürchterlich aussah. Gabriella hatte sie wohl mit einer Paste aus Kräutern bestrichen und war dabei, sie zu umwickeln. Gleich würde ihr es sicher besser gehen, aber Moment! Wo war sie denn hier? Das war doch....das war ihre Hütte. Wie war sie denn zurück nach Xenos gekommen? Hatte Gabriella sie etwa doch verfolgt und gefunden? Hatte sie jemand anderes hierher gebracht? Einer der Wachen? Vielleicht war es ja einer dieser beiden Obervasallen gewesen, mit denen sich ihre Töchter eingelassen hatten? Oder es war die Person gewesen, die sich hier an der Westmauer einen Ausgang nach draußen gegraben hatte. Als sie weiter zu sich kam, fragte sie Gabriella, was denn geschehen sei, aber das konnte sie ihr so genau auch nicht erklären. Gabriella war jedenfalls die halbe Nacht in Xenos gewesen und fast vor Sorgen umgekommen. Irgendwann klopfte jemand an ihre Tür in der Nacht und war verschwunden, bevor sie sehen konnte, wer es war. Ein kleines Stück Pergament lag stattdessen vor ihjrer Tür und darauf war eine kleine Zeichnung versehen. Es war eindeutig das Haus von Serafina gewesen. Also zog sie sich etwas an und rannte durch die kalte Novemberluft zu ihrem Haus. Dort lag sie versteckt und mit Leinen bedeckt hinter mehreren Fässern. Sofort entdeckte Gabriella ihre Wunde und da sie Serafina niemals tragen konnte, verarztete sie die Wunde zuerst noch draußen. Irgendwann war Serafina dann wohl kurz zu Bewusstsein gekommen und habe sich ins Haus geschleppt. Dort fiel sie allerdings vom Stuhl und lag dann bewusstlos am Boden. Die Wunde durfte niemand sehen, dachte Gabriella. Man würde Fragen stellen, woher sie stammte. Wer sollte hier jemanden mit einem Pfeil anschießen? Bauern hatten solche Waffen nicht. Doch Serafina kam immer mehr zu sich und konnte bereits wieder sitzen. Sie wechselte ihre Kleidung und wusch ihr Gesicht in einem Faß mit Wasser. Gabriella hatte diese Nacht noch keine Sekunde geschlafen und war so müde, dass ihr die Augen fast von alleine zufielen. Morgen hatte Serafina wieder die Aufsicht auf dem Feld und die Untervasallen trafen sich mit den Königen. Da würde niemand die Wunde entdecken, zumindest vorerst nicht. Doch dann kamen Serafina wieder die Gedanken an ihre Töchter ins Gewissen. Wenn sie es waren, die man in Tinnos entdeckt hatte, dann würde man sie heute vor versammelter Mannschaft hängen. Ihr Plan, die beiden in einer Nacht - und Nebelaktion zu befreien, war gescheitert. Auch in Gabriellas Augen sah man Furcht und Trauer zugleich. Sie wollte sich morgen wieder mit den anderen Frauen zum Beten treffen und glaubte fest daran, dass sie gemeinsam etwas bewirken können. An dem Tag in der Woche, in der Serafina die Aufsicht über die Feldarbeit hatte, ergab sich immer die Möglichkeit, etwas miteinander zu plaudern oder auch wie Gabriella mit anderen über Gott und die Welt zu reden. Gabriella bedeuteten diese "Bet-Kreise" sehr viel. Sie gaben ihr Kraft und Hoffnung auf eine positive Zukunft. Sie war überzeugt davon, dass Gott ihre Töchter retten konnte. Serafina konnte das kaum noch ertragen. Die einzige Chance auf Rettung hatte sie hinter sich gelassen. Gott würde in dieser Situation sicherlich tatenlos zuschauen, wenn es ihn überhaupt noch gab....

Am Morgen schaffte es Serafina, alle davon zu überzeugen, dass ihr gut ging, auch wenn ihre Wunde noch weh tat. Gabriella und die anderen Frauen machten sich an die Arbeit, als hätten sie nichts anderes vor, als die nächsten 10 Stunden, wie jeden Tag, zu arbeiten. Gabriella's Untervasall Kalamar gab Serafina klare Anweisungen, was gemacht sein muss, bis er zurück kam. Sie hatten heute besonders viel Arbeit, denn das geerntete Korn musste gelagert werden und das bedeutete für alle viel körperliche Arbeit. Gabriella war mit ihren Gedanken bereits woanders, als Serafina ihr zu verstehen gab, dass sie heute mehr mit anpacken muss, als sonst. Sie konnte heute unmöglich eine Stunde oder mehr mit den Frauen beten. Durch ihre Verletzung konnte Serafina heute nicht die übrige Arbeit zusätzlich leisten, weil sie selbst nicht so schnell war wie sonst. Gabriella versprach ihr allerdings, so schnell wie möglich zurück zu sein. Kaum war Kalamar weg, war Gabriella nicht mehr zu sehen. Serafina hatte bereits zu Beginn große Mühe, die schweren Kornmengen im Lager umherzutragen. Noch war niemandem aufgefallen, dass sie eine Stichwunde hatte, doch das würde viele Fragen aufwerfen. Fragen, die Serafina nicht ehrlich beantworten könnte. Als Gabriella nach knapp über einer Stunde immer noch nicht zurück war, begann sich Serafina über sie zu ärgern. Wie konnte sie nur so lange wegbleiben, wenn sie genau wusste, dass die heutige Arbeit so schwer war und sie mit ihrer Wunde nicht schneller arbeiten konnte als sonst? Sie würden das Arbeitspensum so nicht schaffen und Kalamar würde wer weiß was mit ihnen anstellen. Eine Strafe konnte bei Kalamar sehr langwierige Folgen haben. Peitschenhiebe brauchten fast 14 Tage, bis sie verheilten. An besonders schlechten Tagen, entfernte er Bauern als Strafe ihre Fingernägel. Er zog sie mit einer Zange brutal aus jeder einzelnen Kuppe heraus und ließ sie dann an den kommenden Tagen mit offenen Wunden arbeiten. Viele bekamen dadurch Ausschlag oder Krankheiten auf der Haut. Manche bekamen sogar Fieber und starben daran. Warum das so war, konnte sich niemand erklären. Doch diese Methode führte oft nach vielen Qualen zum Tod. Nach fast 2 Stunden war Gabriella immer noch nicht zurück. Serafina begann sich Sorgen zu machen. Also ließ sie ihre Arbeit ebenfalls kurz liegen und ging zu dem Haus, in dem sie sich angeblich immer trafen. Dabei war Serafina noch nie gewesen, weil sie nicht an Gott glaubte. Beten war nicht so ihr Ding im Allgemeinen. Den Weg der Liebe und Vergebung, wie ihn Gabriella bestritt, fand Serafina unpassend für eine solch brutalte Welt. Mit Liebe und Glauben konnte man laut Serafina keine Veränderung herbeiführen. Man verlor stattdessen nur geliebte Menschen und redete sich die schlechte Welt so gut wie es nur ging. Angekommen am Haus der allwöchentlichen Gebetskreise, konnte sie Gabriella zuerst nicht erkennen, denn alle Frauen trugen Mäntel oder so etwas wie Umhänge. Das gehörte vermutlich dazu. Trotzdem wirkte es auf Serafina noch befremdlicher, wenn sie es sah, als nur davon zu hören. Was machten diese Frauen denn da? Eine Frau stand in der Mitte und war von allen anderen umzingelt. Es sah ja fast so aus, als seien diese Frauen nackt unter den Umhängen. Serafina konnte einfach nicht glauben, was sie dort sah. Was für eine Art Sekte war das? Wo war Gabriella nur da hinein geraten? Gerade als sie die Tür zum Haus öffnen wollte, hörte sie eine Frau schreien. Immer wieder schrien sie laut vor Schmerzen auf. Diese Stimme kannte Serafina genau. Es war Gabriella. Was taten sie ihr nur an? Sie schlug die Tür auf, rannte zu den Frauen im Kreis und drängte sich an ihnen vorbei, zu der Frau in der Mitte. Sie lag dort, trug nichts außer einem Mantel und weinte. Als Serafina das Gesicht von Gabriella erkannte, fand sie keine Worte. Sie war geschockt, aber auch angewidert. Gabriella war nackt. Und man hatte sie gepeitscht. Was hatte das mit Gott und einer Betstunde zu tun? Serafina half Gabriella hoch und schaute sich die Risse auf ihrem Rücken an. Das sah nicht gut aus. Warum hatte sie das nur zugelassen? Warum ließ sie wildfremde Frauen so etwas mit ihr machen? Ihr Rücken war übersät mit blutenden Rissen. Alle anderen beäugten Serafina argwöhnisch und sagten kein Wort. Scheinbar hatte Gabriella gewollt, dass man das mit ihr machte. Was erhoffte sie sich davon? Was war nur in ihrem Kopf los? Wie konnte Serafina so lange nicht erkennen, in welch einer Sekte sich ihre Freundin dort befand? Ihre eigenen Schmerzen mussten mindestens genauso schlimm sein, wie die von Gabriella. Beschämt und halb benommen, zog sich Gabriella ihre Arbeitskleider an und folgte Serafina ohne Worte nach draußen. Sie sahen sich lange nicht an und sprachen kein Wort.

Als von Weitem ein aufgeregtes Rufen zu hören war. Irgendjemand auf dem Feld, schien sehr aufgebracht zu sein. Wir haben ihn gesehen, wir haben ihn gesehen. Wen? Wen? Wen? Kalamar. Er ist auf dem Weg zurück nach Xenos. Erst jetzt sahen sich Gabriella und Serafina zum ersten Mal wieder in die Augen. Das würde weitreichende Konsequenzen haben. Wenn Kalamar sah, dass ein Großteil der Arbeit liegengeblieben war, dann mussten sie beide mit den schlimmsten Bestrafungen rechnen, die man sich vorstellen konnte. Ihre jetzigen Wunden waren mit Sicherheit nichts im Vergleich zu dem, was jetzt auf sie zukam. Serafina zog ihr Bein etwas nach und Gabriella ging vor Schmerz gebückt. Als sie am Feld ankamen, war ihnen Kalamar bereits zuvor gekommen. Sein Blick war der des Teufels. Und aus der Ferne hörte man eine Menschenmenge jubeln. Zwei junge Frauen hatten es jetzt hinter sich und waren so eben vor tosender Menge gehängt worden.

Fortsetzung Folgt!!!

Euer Seralgo Refenoir



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Geschrieben von SeralgoRefenoir [Profil] am 21.11.2017

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1212, Gabriella, Serafina, Mittelalter

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