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Pacificare - Episode 2: Ansichten und Überzeugungen

Da alle Episoden aufeinander aufbauen, empfehle ich Ihnen, zuerst den Prolog und dann die erste Episode zu lesen.

Staffel 1 - Episode 2: Ansichten und Überzeugungen

Was Serafina und Gabriella immer hatten, war ihre jahrelange Freundschaft. Gemeinsam sind sie durch die schlimmsten Zeiten gegangen, haben gemeinsam Kinder bekommen und sie zusammen groß gezogen. Doch Kinder werden erwachsen und gehen ihren eigenen Weg. Dieser führte sie in die Arme zweier Obervasallen, von denen Serafina so gut wie gar nichts hielt. Sie waren einfach nur Handlanger der Könige beider Städte und machten für Geld, was man ihnen auftrug. Lautete der Auftrag einen Bauern zu töten, taten sie dies, ohne es zu hinterfragen. Eigentlich sollte man annehmen, dass ein Edelsmann mit solch hohem Rang in der Lage sei, über seine Taten nachzudenken und selbst zu entscheiden, was er tun wollte und was nicht. Aber für Geld machte man in der Stadt Xenos so gut wie alles. Gabriella sah in jedem etwas Gutes, denn sie hatte selbst ein reines Herz. Ihr Gesicht glich dem eines Engels und fast jeden Tag trug sie ein weißes Gewand aus alten Leinen. Nichts konnte sie entstellen und sie war ein sehr gutes Gegengewicht zur doch häufig gewaltbereiten Serafina, die von Gesetzen wenig verstand und sich gerne mal darüber hinweg setzte. Vor wenigen Wochen hatte sie einen Untervasallen bestohlen und Waffen aus seiner Waffenkammer geklaut. Diese hatte sie für den Notfall in einem geheimen Versteck untergebracht, wo sie die Waffen jederzeit finden würde, wenn sie mal in Not geriet. An Waffen kamen Bauern normalerweise nicht heran, denn die Untervasallen konnten sich denken, was ein Bauer damit anstellen würde, wenn es so wäre. Untervasallen schauten auf dem Land nach dem Rechten und behandelten die unfreien Bauern oft wie Tiere. Auch Gabriella wurde schlecht behandelt und arbeitete trotzdem jeden Tag noch härter. Sie war sich sicher, dass irgendwann jemand kommen würde, der sie aus diesem Elend befreite. Sie war eine äußerst gläubige Person, die ihren Glauben aber niemals zu einem Gegenstand einer Diskussion machen würde. Sie sprach nur mit Serafina darüber. Über Gott. Wie er irgendwann kommen wird und sie beide befreit. Diesen Glauben hatte sie sich nicht selbst angeeignet, aber nur Serafina wusste, woher sie dieses Glaubensgewäsch hatte. Es gab einmal pro Woche eine Art geheime Zusammenkunft mehrerer Frauen, die gemeinsam beteten und über Gott und die Welt sprachen. Einmal in der Woche hatte Serafina die Aufsicht über die Feldarbeit und keiner der Untervasallen war dabei. Diesen Tag nutzten die Frauen für eine kurze Zusammenkunft, auch wenn dies genauso gegen das Gesetz verstieß wie Diebstahl. Serafina arbeitete an diesem Tag immer besonders hart, damit die nicht getane Arbeit aufgeholt wurde. Gabriella sprach allerdings in letzter Zeit immer seltener mit Serafina über diese Zusammenkünfte. Woran dies wohl lag? Hatte sie etwas zu verbergen oder war ihr einfach nur bewusst geworden, dass Serafina überhaupt nichts mit Gott und einem Glauben anzufangen wusste? Serafina glaubte an nichts, außer an das Schwert. Wer in dieser Zeit überleben wollte, musste sich eine Waffe besorgen und erbarmungslos zuschlagen. Eine andere Sprache verstand man in Xenos und in Tinnos nicht. Serafina wusste wie man an Waffen gelang, wie man Absperrungen überwindet und durch ein Schloss schlich, ohne aufzufallen. Sie war eine geborene Verbrecherin und das hatte ihnen oft das Leben gerettet.

Als am Abend Gabriellas Untervasall Kalamar zurück in die Stadt kam, schnappte sie mit einem Ohr eine Unterhaltung auf, die sie so sehr beunruhigte, dass sie sich sofort auf den Weg zu Serafina machte. Diese hatte bereits einen Topf mit Kräutern aufgesetzt, für den sie jetzt, wo Gabriella nicht verletzt war, allerdings keine Verwendung mehr fand. Das musste ein guter Tag sein, wenn Gabriella zu ihr kam und unversehrt war. Doch die Wahrheit war eine andere. Gabriella schien aufgeregt und völlig neben sich zu stehen. Die Botschaft, die sie überbrachte, machte auch Serafina nervös. In der Nachbarstadt Tinnos habe man angeblich zwei junge Frauen entdeckt, die dort illegalerweise untergebracht waren. Handelte es sich dabei um ihre Töchter? Wie konnte man sie entdeckt haben, wenn zwei Obervasallen sie so gut wie möglich versteckt hielten? Wie konnten sie zulassen, dass man sie so schnell entdeckt? Serafina war außer sich und war drauf und dran einen Fehler zu machen. Sie wollte ihre vergrabene Waffe nehmen und ihre Tochter aus den Klauen des Königs befreien, bevor man sich entschied, sie zu hängen. Wenn es wirklich ihre Töchter waren, dann hatten sie nicht mehr lange zu leben. Man würde sie so spät abends nicht mehr aufhängen, aber spätestens morgen Mittag. Dann hatten alle Schaulustigen Zeit, auch Teil des Spektakels zu sein. Aber vielleicht waren es ja auch gar nicht ihre Töchter? Wer sollte es ihnen sagen, wenn es niemand wagte, die eigene Stadt zu verlassen? Niemand aus Tinnos konnte ihnen sagen, um wen es sich handelte. Und aus Xenos gab es keinen Weg heraus. Oder doch? Serafina hielt die Hände von Gabriella fest umschlungen und vertraute ihr in diesem Moment eines ihrer größten Geheimnisse an, das sie jemals vor ihr hatte. Denn es gab einen Weg heraus aus Xenos und Serafina kannte den Weg genau. Sie hatte sich wochenlang damit beschäftigt und den Fluchtweg selbst gesehen. Jemand anderes musste ihn ausgehoben haben, denn als Serafina ihn zufällig entdeckte, war er bereits fertig. Jemand aus Xenos hatte scheinbar ebenso ein Interesse daran, aus der Stadt zu fliehen oder zu kommen und zu gehen, wie er es für nötig hielt. Serafina war sich sicher, dass hier Dinge nebenher abliefen, von denen sie keine Ahnung hatten. Doch Gabriella war empört. Sie wollte von einem Fluchtweg nichts wissen und ihn auch gar nicht erst sehen. Ihr war es viel zu gefährlich, dabei erwischt zu werden. Ein Fluchtversuch war ihr sicherer Tod und diese Einsicht verlangte sie auch von Serafina. Sie wollte ihre beste Freundin nicht verlieren, denn nur durch sie hielt Gabriella Tag für Tag durch und hoffte auf Frieden und eine Verbesserung der Situation. Doch Serafina machte ihr abermals deutlich, wie unterschiedlich ihre Ansichten sind. Nichts zu tun kam für Serafina nicht in Frage, auch wenn dies bedeutete, dass sie geschnappt werden könnte. Gabriella liebte ihre Tochter über alles und würde alles für sie tun, aber dies auch? Sich gegen die Gesetze stellen und ein Verbrechen begehen? War es denn ein Verbrechen, seine eigene Tochter vor dem Tod zu bewahren? War es ein Verbrechen, Unschuldigen zu helfen und sie aus den Klauen machthungriger Verbrecher zu befreien? Serafina wusste ihre Antwort darauf sofort. Gabriella schüttelte den Kopf. Nein. Sie konnte das nicht. Sie wollte den Frieden ebenso wie Serafina, aber auf einem anderen Weg. Frieden kann man nicht durch Gewalt und ein Schwert erringen, sondern nur durch den Glauben, dass man ein reiner, guter Mensch ist. Verbrechen erzeugen nur noch mehr Gewalt und Gabriella war ihr außerdem keine große Hilfe. Sie hatte noch nie ein Schwert oder eine Waffe in der Hand gehabt. Sie konnte nicht gut schleichen, Türen leise öffnen oder schnell rennen. Doch in ihr meldete sich ein Schuldgefühl. Sollte sie ihre eigene Tochter sterben lassen? Wie konnte sie es nur zulassen, dass man ihr das weg nahm, was ihr soviel bedeutete? Ohne ihre Tochter konnte sie nicht leben. Sie liebte ihre Tochter über alles. Sie war wie ein Licht, ohne das ihre Welt in völliger Dunkelheit verschwand. Doch sie konnte es nicht. Sie konnte es einfach nicht. Serafina nahm sie in den Arm, drückte sie fest gegen ihre Brust und versprach ihr, dass sie es auch alleine schaffen werde und das sie ein toller Mensch ist, so wie sie lebt und wie sie denkt. Wäre Gabriella kein halber Engel, wäre Serafina schon lange mehr als ein halber Teufel.

Fortsetzung Folgt!!

Euer Seralgo Refenoir
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Geschrieben von SeralgoRefenoir [Profil] am 31.10.2017

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Tags (Schlagwörter):

Serafina, Gabriella, Mittelalter, Frieden, Krieg, Pacificare

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Kommentare und Punkte zu diesem Gedicht

 Zahnrad 22.12.2017, 18:51:26  
Avatar ZahnradHabe bis jetzt nur E1 und E2 gelesen. Wie schon geschrieben, mir gefällt die Art, wie Du deine Worte wählst! Liest sich wirklich gut! Ein Kritikpunkt, den ich allerdings hätte, wäre, dass sich an manchen Stellen die Worte oft in unterschiedlichen Verbindungen wiederholen z.B. in E1 "Bauern" oder in E2 "Waffen" und "Glaube". Liebe Grüße!

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