>
>
Gedicht drucken


Geh nicht vorbei

Ungläubig schweift dein Blick umher,
und immer wieder klopft dein Herz,
bei manchem Menschen, der hier liegt,
ahnst du den einst gefühlten Schmerz.

Doch lieber Freund, ich sage dir,
schau nicht bloß einzig auf die Jahre,
die dort prangen auf den Steinen,
seit man uns damals trug zur Bahre.

Geh nicht vorbei, bleib bitte stehn,
denn dieses quält mich gar zu sehr,
dass ich für dich bloß eines bin:
nur eine Zahl, und nicht viel mehr.

Mein Stein ist wahrlich grün verwittert,
die Schrift mit Müh noch zu erkennen.
Mein Todesjahr ermuntert dich,
mich einen alten Greis zu nennen.

Dies ist ein Trug, denn lass dir sagen:
die Zeit verging so schnell im Nu.
Und ob du's glaubst jetzt oder nicht:
Ich war einmal GENAU WIE DU!

Deine Kleider sind moderner zwar,
viel fortschrittlicher auch deine Zeit,
doch nur die Jahre trennen uns
von innigster Gemeinsamkeit.

Wie dein Vater hat auch meiner
mich gewippt auf seinem Beine,
meine Mutter liebte mich
ganz genau wie dich die deine.

War verspielt wie du gewesen,
hab als Kind viel ausgeheckt,
und als ich dann reifer wurde,
gern auch mal die Frau'n geneckt.

War verliebt wie du es warst,
mal in diese, mal in jene,
hab mich endlich dann vermählt,
hatte viele große Pläne.

War das Leben wunderschön,
war'n bald nicht mehr nur zu zweit.
Im Hause wurd's nun ganz lebendig,
was war das eine Heiterkeit!

Die Kinder wurden so schnell groß,
bald war es wieder still im Haus,
der Rest der Zeit ging schnell vorüber,
und irgendwann dann war es aus.

War ich zuletzt auch alt und greise,
so bin ich doch viel mehr gewesen,
ein Kind, ein Mann, ein Vater und Freund,
doch davon ist auf dem Stein nichts zu lesen.

War meine Zeit auch eine andere,
ich war genau, wie du jetzt bist!
Bald wirst du neben mir liegen und wissen,
dass dies die tiefste Wahrheit ist.

© Andreas Böttcher


Avatar Kein Bild

Geschrieben von Andi [Profil] am 17.08.2012

Aus der Kategorie Sonstige Gedichte



Logo Creative Commons
Dieses Werk ist durch die Creative Commons Lizens geschützt. Bitte bachte die Rechte

Dieses Gedicht oder ein Kommentar enthält anstößige Wörter oder Beleidigungen?

Tags (Schlagwörter):

tod, sterben, Vergänglichkeit

Bewertungen

4 Punkte
Punkte: 36 bei 8 Bewertungen. Das Entspricht im Durchschnitt 4.50 Punkte
(Punkte können mit einem neuen Kommentar vergeben werden.)

Anzahl Aufrufe: 1717


Dieses Gedicht teilen


Kommentare und Punkte zu diesem Gedicht

 homepoet 17.08.2012, 08:24:43  
Avatar homepoeteinfach eine klasse für sich 5 pkt

 possum 17.08.2012, 08:45:37  
Avatar possumWunderbare Zeilen, herzlichen Dank dafuer!

 Andi 17.08.2012, 09:17:49  
Avatar kein BildVielen Dank für Euer Lob :-)

 HB Panther 17.08.2012, 09:53:23  
Avatar HB Pantherein wundervolles gedicht, es ist einfach schade....der 1 pkt verteiler ist schneller als ein virus. % pkt von mir, schau drüber weg, der wird schon irgentwann wieder verschwinden glg:tamer

 schwarz/weiß 17.08.2012, 17:27:24  
Avatar schwarz/weißAnerkennung und Lob. Klasse geschrieben. 5 Punkte

Kommentar schreiben und Punkte vergeben

Bitte melde dich ganz oben auf der Seite an um einen Kommentar zu schreiben und Bewertungen zu vergeben

Andere Gedichte von Andi

Der Lauf der Dinge
Einer sterbenden Mutter
Der alte Mann

Die beliebtesten Gedichte:

Unausweichlich Tod
Kraniche
Im Regen
Verwirrte Worte
Wer Sehnsucht kennt...
Fluch(t) der Träume
Still und bescheiden
Panthers letztes Schriftstück
Der Mittag
Am Abend danach

Die neusten Gedichte:

Wer sind wir
fühle mich
Die Anrufe
Ich warte geduldig
Das Thema
Wo Bist Du
Vertiefte Zeit...
Fluss geblättert
Bensersiel
Zuckersüß

Oft gelesene Gedichte:

Ich liebe Dich mein Schatz
Danke an unsern Lehrer!!
An meine liebe Frau
Was ich meinen Kindern immer mal sagen wollte...
Für meine Schwester
Für meinen Schatz
Ich Denke an Dich...
Hab Dich Lieb Mama
Für mein Schatz
Meine Oma